Auf der Suche nach einer möglichst wirtschaftlichen Energiequelle auf der Erde, die unabhängig von Zeit und Wetter leicht verfügbar ist, haben Wissenschaftler nach Reaktionen gesucht, die die höchste Energiemenge pro Elementarprozess liefern. Angesichts der hohen Bindungsenergie, die mit der starken Kraft zwischen den Elementarteilchen verbunden ist, war die Kernspaltung eine naheliegende Wahl. Der Kernspaltungsprozess hat jedoch den bekannten Nachteil des radioaktiven Abfalls. Viel besser scheint eine kontrollierte Version des Verfahrens zu sein, das die Sonne antreibt: die Kernfusion. Die Fusionsenergie ist schon solange ich zurückdenken kann ein Traum gewesen. In meinem Heimatland Deutschland begannen in den 1960er Jahren Forschungsprogramme, die sowohl auf die Fusion mit magnetischem Einschluss als auch auf die Trägheitsfusion (d.h. die Laserfusion) abzielten. Als ich mit der Arbeit an meiner Dissertation begann, wurde die Forschung zur Laserfusion in Deutschland eingestellt, aber anderswo, vor allem in den Vereinigten Staaten, ging sie weiter.
Die Kernfusion mit magnetischem Einschluss wurde zu einer Priorität der Europäischen Union und auch anderswo auf der Welt. Die Forschung ist Schritt für Schritt vorangekommen, wobei sie hier und da auf unvorhergesehene Probleme stieß - wie es in der Grundlagenforschung üblich ist -, die aber mit einigem Aufwand überwunden werden konnten. Die Fortschritte bei der Kernfusion mit magnetischem Einschluss waren stetig und laufen in eine vielversprechende Richtung. Bis zum Bau eines sinnvollen Kraftwerks muss der Gesamtwirkungsgrad nur noch etwa fünffach gesteigert werden.
Die National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in den USA, die sich mit der Laserfusion befasst, gab im Dezember 2022 bekannt, dass das „wissenschaftliche Break-Even" überschritten wurde, indem sie eine Fusionsreaktion erzeugte, bei der die produzierte Energie größer war als die laserinduzierte Röntgenenergie, die die Reaktion auslöste. Auf diesem hohen Niveau ist jede weitere Erhöhung der Effizienz schwierig, und selbst ein Verbesserungsfaktor von zwei kann eine große Herausforderung sein. Das Erreichen dieses Meilensteins war eine sehr lobenswerte Leistung, die die ganze Aufmerksamkeit der Medien verdient hat.
Interessanterweise haben die jüngsten Fortschritte auf dem Gebiet der Laserfusion weltweit Dutzende von Start-up-Unternehmen auf den Plan gerufen und das Thema wurde auf vielen Optik- und Photonik-Konferenzen heiß diskutiert. Ich finde das bemerkenswert, denn bei der Laserfusion ist es wie bei der Fusion mit magnetischem Einschluss noch ein weiter Weg. Unter anderem vergleicht der wissenschaftliche Breakeven der NIF nur die erzeugte Fusionsenergie mit der Lichtenergie, die tatsächlich vom Target absorbiert wird, um den Kernbrennstoff zu zünden. Der Wirkungsgrad des Lasers ist nicht berücksichtigt - und der war bei NIF niedrig, ebenso wie die Pulswiederholrate.
Es gibt allerdings neue Konzepte für viel effizientere Hochleistungslaser, daher besteht große Hoffnung. Aber bis zum technologischen Erfolg ist es noch ein langer Weg. Dabei müssen noch viele grundlegende Fragen an der Schnittstelle von Laserphysik, Materialwissenschaft, Optik, Plasmaphysik und Kernphysik geklärt werden. Dies ist eine wunderbare Gelegenheit für die jüngeren Mitglieder in unserer Community.
Wie viele andere, werde ich die Entwicklung der Fusionsprojekte sowohl mit magnetischem Einschluss als auch mit Trägheitseinschluss weiterhin mit großem Interesse verfolgen. Es ist bemerkenswert, dass die Optik und Photonik wie kein anderes Gebiet den Weg für zukünftige Technologien ebnet - nicht nur in der Fusion, sondern auch in der Quantensensorik, in der Kommunikation, im Computing, in der energieeffizienten Mikroelektronik, in der sicheren und effizienten Mensch-Maschine-Interaktion und in so vielen anderen Bereichen.
Gerd Leuchs,
Optica Präsident